Ausfahrt 102: Wikinger!-Ausstellung im Lokschuppen Rosenheim


Wenn ich gewusst hätte, dass der Lokschuppen Rosenheim nur 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche hat, ich wäre nicht so enttäuscht gewesen. Auch als Landkreisbewohner kenne ich nicht alles in Rosenheim, ich war als Zugroaster zum ersten Mal dort. Bei einem Ausstellungsbudget von etwa 2,5 Millionen Euro kommt das auf einen Quadratmeterpreis für etwa die Hälfte eines Wohneigentums im Landkreis Rosenheim. Und das für eine unterjährige Ausstellung. (Viel Geld, und es steigert die Ansprüche, wenn die Kosten so transparent gemacht werden – was ich grundsätzlich begrüße.)

An der Inszenierung im vollends abgedunkelten ehemaligen Lokschuppen liegt es jedenfalls nicht. Die ist wirklich gut. Mit gezielten Lichteffekten, einigen Kinoecken und diversen interaktiven Touchscreens, viele mit eigens für Kinder gestalteten Inhalten ist die Ausstellung auf der multimedialen Höhe der Zeit. (Wohl mehr, als ich mit meinen fast 40 und dem Begriff von Multimedia auf der sprachlichen Höhe der Zeit bin.)

Ich stoße mich an den Preisen für die Eintrittskarten. Ein Erwachsener kostet 14,50 Euro, ein Kind ab fünf Jahren 7,25 Euro. Das ist beides teurer als das Deutsche Museum. Eine privat organisierte Ausstellung in dieser Größe muss natürlich kostendeckend sein, allermindestens. 170.000 Besucher zählt die auch in München auf U-Bahn-Rolltreppen beworbene Ausstellungsserie normalerweise. Das verrät mir jedenfalls die Pressemappe. Bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von zehn Euro braucht es dann in diesem Jahr etwas mehr als den Durchschnittsbesucherstrom. Kalkuliert haben die Macher mit etwa 200.000 Ausstellungsbesuchern.

An dem heißen Sommernachmittag, an dem wir uns dorthin begeben, sind nur etwas mehr Menschen in der Ausstellung, als in einem typischen Wikinger-Dorf Menschen gewohnt haben. Also vielleicht 50, und nicht 20-30. Angenehme 20 Grad herrschen in den Ausstellungsräumen. Die kurze Hose ist fast schon zu kalt.

Museumsbesuche sehe ich mittlerweile mit zwei Paar Augen – einmal aus Kinderaugen und dann aus Erwachsenensicht. Die dunklen Räume sorgen bei meinem Filius für ein Beklemmungsgefühl – er kriegt dann einfach leicht Angst. In einer entfernten Ecke der Ausstellung läuft ein Zusammenschnitt aus mehreren Quellen, unter anderem einer Terra X-Folge über die Wikinger. Auch wenn das nur nachinszeniert, habe ich jeden Moment Sorge, dass die Schlachtszenen zu schlächterisch werden. Werden sie nicht. Aber bedrückend sind die auf ein Haus zustürmenden Männer in Fellen und Pelzen mit wilden Bärten sicher.

Eine große Kammer, in der Münzen, Mantelfibeln und Schmuck ausgestellt sind, ist für den Nachwuchs auch weitgehend verloren. Unheimlich fein gearbeitet sind die Sachen aus dem achten bis elften Jahrhundert. Ganz weit weg liegt deren Detailreichtum von der Vorstellung bierbäuchiger und metseliger Helmträger.

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Foto: Lokschuppen Rosenheim / Wikinger!-Ausstellung

Das Leben war hart, soviel ist sicher. Die Zeichnungen, die einen ganz normalen Tag im Leben eines Wikingers beschreiben, haben bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen. Früh geht es aus den Fellen, damit die Tiere vor dem Bauernhof gefüttert werden können. (Auch wenn viele Wikingersiedlungen direkt am Wasser lagen, waren die meisten Wikinger doch Bauern und nicht Soldaten oder Seeleute, wie wir das heute vielleicht glauben. Für diese kleinen Weltgeschichtsbildkorrektur bin ich dankbar.) Mit dem Sonnenlicht ging der Tag los, und er war voller harter, körperlicher Arbeit. Erstaunlich prächtig sind etwa die Wollen, die auf den Spinnrädern entstanden sind – und auch die Tücher sind fein gewoben. Sie zeugen von einem Volk (? richtiger Begriff?), das auch Sinn an Schönem hatte.

Das größte Exponat der Ausstellung findet sich im Vorhof des Lokschuppens. Da wo früher das Schienenleben kreiste und seinen Mittelpunkt hatte. Ein 17 Meter langer Nachbau eines Wikinger-Schiffes aus der Realverfilmung von Wickie. Nicht unbedingt historisch korrekt, aber man muss die Besucher auch da abholen, wo sie stehen – vor der Ausstellung. Für die Kleinen gibt es auch einen liebevoll gestalteten Museumsführer mit Wickie (der oder die Wickie, ich weiß es nicht). Das ist gut gemeint, meinen Nachwuchs hat es jedenfalls nicht erreicht, weil er Wickie nicht kennt.

Für Erwachsene sind die Unmengen von Schmuck, die als Leihgabe aus einem schwedischen Universitätsmuseum da sind, natürlich eine Augenweide. Kinderaugen langweilen sich an dem Geschmeide aber schnell. Und auch Erwachsene, die kaum Schmuck tragen.

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